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Geschäft des Monats: Atelier O 18 Konzeptschneiderei, Oranienstraße 18 / Jeansbaden-Aktion

Von: Anja Baumgart-Pietsch. Fotos: Kai Pelka. 

Claudia Zimmer ist schon in der ganzen Welt herumgekommen – immer in Sachen Textilien unterwegs, denn die ausgebildete Schneiderin und Modedesignerin lebt ihren Beruf mit Leib und Seele. „Schon meine Oma und meine Mutter waren Schneiderinnen“, berichtet Zimmer. „Mich hat es immer fasziniert, wenn meine Mutter für mich genäht hat. oft waren es ihre Sachen, die sie für mich geändert hat.“

Modewelt bereist

So wuchs sie schon als Kind in dieses kreative Handwerk hinein, machte später eine Lehre und studierte noch Design. Dann war sie viele Jahre für unterschiedliche Firmen im Ausland unterwegs: Nordafrika, Asien, Bulgarien, auch zwei Jahre in der Ukraine. Überall eben, wo für den westlichen Markt genäht wird. Sofort stehen einem die schrecklichen Bilder vor Augen, als in Bangladesch ein Gebäude, in dem im Akkord genäht wurde, abbrannte und viele Menschen starben. „So etwas habe ich nie gesehen“, sagt Claudia Zimmer. „Wo ich war, gab es immer gute Arbeitsbedingungen.“

Sie habe die Zeit sehr abwechslungsreich in Erinnerung, habe sich stets um gute Kontakte zu den Arbeiterinnen bemüht. Irgendwann aber war sie dann in der Schweiz gelandet, weitere Auslandseinsätze ergaben sich nicht. Stattdessen lernte Claudia Zimmer ihren Mann kennen, einen Wiesbadener, und kam dadurch in die Landeshauptstadt. 2018 eröffnete sie ihren kleinen Laden „O 18“ in der Oranienstraße 18. Sie nennt ihn „Konzeptschneiderei“. Dort bietet sie ihren mittlerweile zahlreichen Stammkundinnen und -kunden maßgefertigte Stücke bester Qualität an.

Nachhaltigkeit mit Seele

Die Schneiderin verändert auch Vorhandenes: Kleider von Mutter oder Oma zum Beispiel, die sie zeitgemäß umarbeitet oder auf die eigene Figur anpasst. „Da ist dann richtig Seele drin“, sagt Claudia Zimmer, die von den Kundinnen sehr oft die zum Kleidungsstück passende Geschichte hört. Nachhaltigkeit ist ihr ein Anliegen: „Fehlkäufe, die dann doch nie getragen werden, mit denen lässt sich meistens doch noch viel Schönes anfangen.“ Natürlich gibt es Fälle, in denen Klamotten zu eng oder zu weit werden, auch hier kann Abhilfe geschaffen werden.

Wegwerfmentalität Paroli bieten

Der Wegwerfmentalität Paroli bieten, ist wichtiges Anliegen in der Konzeptschneiderei. „Mir macht das viel Freude“, sagt Claudia Zimmer. Doch sie arbeitet nicht nur im stillen Kämmerlein an der Nähmaschine. Sie möchte ihr kleines Lädchen zum Treffpunkt machen: Bei „Tatorte Kunst“ oder „Kleinode Westend“ hat sie schon teilgenommen und Künstlern Ausstellungsmöglichkeiten geboten. Sie dekoriert ihr Schaufenster stets originell – so stellte sie beispielsweise zum letzten Osterfest eine Eierbecher-Sammlung aus.

„Jeansbaden“-Aktion

Zurzeit stapeln sich dort Jeans aus dem Altkleiderhandel, manche davon sehen aus wie neu. „Jeans werden besonders oft entsorgt“, sagt Claudia Zimmer. Sie hat sich kiloweise alte Hosen besorgt, denn mit „Jeansbaden“ hat sie eine besondere Aktion vor: Einen flexiblen Teppich aus Jeansstoff nähen, der bei verschiedenen Anlässen eingesetzt werden kann.

Beim Superblock-Sonntag und bei Poesie im Park ist das erste Teppichstück zum Einsatz gekommen. „Das soll immer größer werden“, wünscht sich Claudia Zimmer, die mit Birgit Reimann (Tagtraum tragen) und Claudia Specht (Tüll und Spitze) auch zwei Kolleginnen für das Projekt begeistern konnte und als Mitstreiterinnen gewonnen hat. Damit es dann zur praktischen Anwendung kommen kann, soll es aus kleinen Quadraten bestehen, die mit Klettband flexibel aneinander befestigt werden können.

„Ich wünsche mir, dass da viele mitnähen: Vielleicht Schulklassen oder andere Näh-Gruppen“, meint Zimmer. Material gibt es genug: „Ich hätte tonnenweise alte Jeans kaufen können.“ Wer mitmachen möchte, soll sich gerne bei ihr melden. Aber auch, wer ein tolles Kleidungsstück sein eigen nennen will.

Männerröcke im Kommen

Vom Brautkleid bis zum Herrenanzug reicht das Repertoire. Oder wie wäre es mit einem Männer-Rock, denn momentan verschwimmen die Geschlechtergrenzen in der Mode. „Meine Schüler an der Hochschule Fresenius nähen und tragen  schon fleißig Röcke“, berichtet Zimmer, die dort einen Lehrauftrag innehat. Leben und Arbeiten im Oranienstraßen-Quartier gefällt ihr. „Wenn erst das Alte Gericht mit den geplanten Wohnungen und Kultureinrichtungen läuft, wird das nochmal aufgewertet.“ Mit den Kiez-Nachbarn komme sie bereits prima klar.