Gipfelmeer

Berge geben Kraft, bieten Weite und Perspektiven, versetzen uns in unterschiedlichste Stimmungen und lösen vieles in uns auf. Selbst in der Salzburger Bergwelt aufgewachsen, sind Bergwelten für Silvia Wahrstätter auf jeden Fall immer schon Orte der Anziehung. 

Schauen, staunen, sich nicht satt sehen, frei werden. »Wenn man oben ist, kann man gar nicht genug Sinne haben, um aufzunehmen. Die Weite macht mich frei, lässt mich die Größe spüren, endlos sehen. Du nimmst anders wahr, hörst das Stapfen am Gletscherschnee, spürst den Wind unter der Haube, die Sonne im Gesicht und das Kribbeln auf der Haut. Alles ist unmittelbar, du bist hundert prozentig da.«

All das und vieles mehr bannt sie vor allem für sich auf die Leinwand. 

Wahrstätters Bilder holen die Weite in den Raum. Das Abgebildete ist immer ein Ausschnitt einer größeren, weitläufigen Landschaft, die unendlich scheint. Es lässt sich im Auge des Betrachters/der Betrachterin über den Bildrand hinaus fortsetzen. Das bedeutet, die Landschaft auch neben dem Abgebildeten öffnet Raum für jene Gefühle, die Menschen gut kennen, die Berge lieben. Ein Staunen, nicht Sattsehen an Details, die sich mit den Lichtverhältnissen, mit dem Ziehen der Wolken permanent ändern.

Ihre Perspektive ist der erhöhte Punkt, der in die Höhe führt und in die Bergwelten hineinzieht. Sie schaut also hinüber auf die Gipfelreihen. Das Gipfelmeer wird dadurch unmittelbar, eröffnet den grenzenlosen Bergblick.

Wahrstätter interessiert sich nicht für das Bedrohliche der Höhe, es ist die Weite und die, wenn auch manchmal vermeintliche, Unberührtheit des Gebirges, die sie anziehen. Sie strebt nicht nach Fotorealismus, das kann die Kamera viel besser. Fotos lösen eher aus, was sie in den Bergen erleben will. 

Ihre Bilder wollen selbst leben. Jeder Schatten verbirgt neue Welten. Die Wahl der oft unkonventionellen Farben ist vor allem der Stimmung, weniger den tatsächlichen Gegebenheiten geschuldet.

Am Berg ist nicht nur das Auge beschäftigt, diese Bilder bannen die Kühle einer schattigen Mulde genauso, wie sie das Knacken der Gletscher hören lassen. Hinter dem Blau im Weiß erkennt man die Tiefe der Gletscherspalte und man spürt den Wind über die Gipfel pfeifen.

Silvia Wahrstätter sucht das Grenzenlose und den sich immer wieder verändernden Ausblick, den jeder kennt, der schon einmal lange auf einem Gipfel gestanden hat. Das sind bisweilen auch Gipfelstürmer:innen. Gipfelschauer:innen lieben diese Bilder in jedem Fall.