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Vor 125 Jahren in Dessau Vor 125 Jahren in Dessau: Friedrich Lutzmann gründet erstes deutsches Taxi-Unternehmen

22.09.2018, 10:00
Friedrich Lutzmann (l.) 1895 am Steuer seines Motordreirades, rechts ist sein Freund Fritz Koch zu sehen.
Friedrich Lutzmann (l.) 1895 am Steuer seines Motordreirades, rechts ist sein Freund Fritz Koch zu sehen. Stadtarchiv Dessau-Rosslau

Dessau - Im April 1893 erlebt Friedrich Lutzmann, dass Fortbewegung auch ohne Pferd möglich ist. Der Kunst-Schlossermeister sieht den ersten Motorwagen, einen Benz Viktoria, der von Carl Benz entwickelt wurde.

Lutzmann gründet im September 1893 in Dessau das Unternehmen "Motorwagen-Fahrverkehr"

Noch am selben Abend soll er beschlossen haben, eigene Autos zu bauen. Um Erfahrungen zu sammeln, gründet er am 17. September 1893 das Unternehmen „Motorwagen-Fahr-Verkehr“. Fast genau vor 125 Jahren beginnt also in Dessau mit dem ersten Taxiunternehmen Deutschlands die Geschichte des modernen Taxibetriebes.

„Manchmal hat er mehr unterm Wagen gelegen als auf dem Wagen gesessen“, erzählte 2013 der Enkelsohn Manfred Riedel in einer WDR-Dokumentation über das Leben seines Großvaters. Das erste gewerbliche Taxi - ein viersitziger Benz Victoria - rollte damals zwischen Dessau-Oranienbaum und Wörlitz, rund 15 Kilometer, und auch nach Aken.

Die Fahrzeit betrug im Idealfall etwa eine Stunde. Einen Taxameter gab es nicht. „Und manch einer hat gesagt: Lass mich doch auch einmal mitfahren. Und mein Großvater: Na gut, wie viel gibst du mir dafür? Es gab keinen vorgeschriebenen Preis“, so Riedel.

Lutzmann baute in der "Anhaltischen Motorwagenfabrik" die "Dessauer Pfeile"

Lutzmann, 1859 in Nienburg an der Saale geboren, hat lange Zeit in Dessau gelebt und gewirkt. Er war zunächst herzoglicher Schlossermeister und reparierte Kutschen, baute dann in der „Anhaltischen Motorwagenfabrik“ die „Dessauer Pfeile“. 1894 hatte er sein erstes Auto auf dem Markt und entwickelte Patente zur Verbesserung der Technik. Die Idee, Pferdedroschken zu motorisieren, führte zu einem ganz neuen Wirtschaftszweig - und zum Untergang der Droschkenkultur. 1913 wurde zum Beispiel die Bonner Taxigenossenschaft gegründet - von zehn Pferdedroschkenbesitzern, die auf Motortaxen umstellten. Natürlich gab es eine tiefe Abneigung zwischen Besitzern von Pferdedroschken und jenen der Motordroschken.

Lutzmann bemerkte 1893 schnell die Tücken des Geschäfts: Viele Passagiere wollten den Motorwagen ausprobieren, aber im Winter ging die Nachfrage deutlich zurück. Also startete das Unternehmen neu, diesmal mit einem Verdeck aus Leder.

Als 1894 in Dessau die Straßenbahn eingeführt wurde, deren Fahrten wesentlich billiger als eine Taxifahrt waren, mussten sich Lutzmann und sein Geschäftspartner, Freund und Klempnermeister Fritz Koch, neu umsehen. Lutzmann sattelte komplett auf den Bau von Automobilen um.

Opel wird Friedrich Lutzmann aufmerksam

1897 war Lutzmann mit seinem Patentmotorwagen System Lutzmann mit Carl Benz und Gottlieb Daimler einer von vier Ausstellern auf der Ersten Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA). Lutzmann zeigte zwei Motorfahrzeuge - den „Pfeil 0“ und den „Pfeil 1“.

Die Gebrüder Opel wurden schließlich auf ihn aufmerksam. Zwei Jahre später kauften die Nähmaschinen- und Fahrradhersteller seine „Anhaltische Motorwagenfabrik“ inklusive aller Patente und produzierten mit dem Opel-Patentmotorwagen „System Lutzmann“ ihr erstes Automobil.

Die Produktion zog von Dessau nach Rüsselsheim, wo Lutzmann Direktor wurde und die Wagen konstruierte. Opel trat dank der Erfindung Lutzmanns einen Siegeszug um die Welt an. Die Karriere des Konstrukteurs bei Opel endete aber schon nach zwei Jahren - das Unternehmen trennte sich von ihm.

Friedrich Lutzmann stirbt 1930 verarmt in Dessau

Er versuchte mit dem Kauf einer Getränkefabrik bei Gera einen Neuanfang, wollte in Südamerika Fuß fassen, kehrte 1904 nach Europa zurück und arbeitete in der Schreibmaschinen-Branche. 1922 kehrte er nach Dessau zurück. Dort starb er verarmt 1930.

(mz/lga)

Lutzmanns Werkstatt war seit 1898 im Hinterhof des Gebäudes der „Färberei Richter“ in der Wasserstadt untergebracht.
Lutzmanns Werkstatt war seit 1898 im Hinterhof des Gebäudes der „Färberei Richter“ in der Wasserstadt untergebracht.
Stadtarchiv Dessau-Roßlau
Grab auf dem Friedhof III.
Grab auf dem Friedhof III.
Stadtarchiv Dessau-Roßlau
Friedrich Lutzmann um 1893.
Friedrich Lutzmann um 1893.
Stadtarchiv Dessau-Roßlau